Dienstag, 3. Juli 2012

Netrada statt Amazon - Und nun?




Distributionszentrum von Netrada nur unwesentlich verträglicher als das ursprünglich geplante Vorhaben von Amazon 

Die Stadt Hannover ist zutiefst verärgert über die Verzögerungen bei den Verhandlungen mit Amazon. Zunehmende Irritationen habe die Stadt im Verlauf der Verhandlungen zur Kenntnis nehmen müssen. Heute zog die Stadt Hannover ihre Konsequenzen. Eine vertrauensvolle und zielgerichtete Verhandlung sei mit dem weltweit führenden Onlineversender nicht mehr gegeben. Seit heute sind die Verhandlungen offiziell und unwiderbringlich gescheitert. Noch immer darf die Stadt den bisherigen Interessenten nicht beim Namen nennen. Ein politisches Armutszeugnis in Anbetracht der einseitigen Vorleistungen in Höhe von ungefähr 3 Millionen Euro zuzüglich der Kosten für die Gutachten von einer viertel Million Euro.





 
Die LH Hanover die Verhandlungen mit Amazon ergebnislos abgebrochen



In den letzten zwei Monaten fanden diskrete Verhandlungen mit einem lokalen Nebeneinsteiger aus Garbsen statt. Der Online-Versand-Dienstleister Netrada interessiert sich ebenfalls für den Bau eines neuen Distributionszentrums in Hannover. Die Verhandlungen verliefen laut dem Oberbürgermeister Weil zügig und konsensual. Ab dem ersten Halbjahr 2014 sollen  500 Menschen in dem ersten Bauabschnitt der 50.000 Quadratmeter großen Halle östlich des Messegeländes eine neue sozialversicherungspflichtige Arbeit finden, teilte die Stadt Hannover am Dienstag auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz mit. Geplanter Baubeginn auf der 114.000 qm großen Fläche ist für November 2012 vorgesehen. Für die Öffentlichkeit völlig verblüffend: die Details mit dem eCommerce Unternehmen Netrada sind bereits alle "schlussverhandelt". Der Notartermin erfolgt in den nächsten Tagen und ist vorbehaltlich der Gremienzustimmung am 20. September. Auch die Region Hannover muss dem Vorhaben der Stadt Hannover erst noch zustimmen. 


Die Verwaltung unterrichtete bereits heute Nachmittag direkt im Anschluss an die Pressekonferenz darüber, dass sie am 03.07.2012 eine Beschlussdrucksache in die Ratsgremien eingebracht hat, mit der ermöglicht werden soll, dass die Firma Netrada in Hannover in drei Baustufen ein Distributionszentrum zu errichten plant. Netrada habe laut Oberbürgermeister Stephan Weil den Zuschlag erhalten, weil die Gesellschaft angeblich alle Vorgaben der Stadt hinsichtlich Verkehr, Arbeitsplätze und energetische Anforderungen erfüllt habe. Der komplette Lkw-Verkehr soll über den Messeschnellweg abgewickelt werden. Netrada ging aus der Firma Heycom hervor und ist Europas größter Dienstleister im E-Commerce für Textilien. Zu den Kunden zählen Marken wie C&A, Esprit, Hugo Boss und Puma. Firmensitz ist Garbsen bei Hannover. Der Anbieter offeriert seine Dienstleistung  für die gesamte wirtschaftliche Wertschöpfungskette, von der Kommissionierung bis zum Versand und der arbeitsintensiven Abwicklung (waschen, bügeln) von Retouren. Sogar die Online-Shops werden - für den Endkunden nicht ersichtlich - auf einer eigenen Web-Plattform betrieben und gehostet. Das neue Distributionszentrum sei eine Voraussetzung zur Abschöpfung der weiteren Wachstumspotenziale.



Die Initiative pro.kronsberg wird sich weiter vehement für die Interessen der Anwohner einsetzen


Auch wenn das neue Ansiedlungsvorhaben verträglicher erscheint, sind die Bedenken nicht kleiner geworden. Das Vorgehen der Stadt ist ein erneuter Affront für die betroffenen Bürger und Anwohner. In der dritten Ausbaustufe ist die bebaute und versiegelte Fläche sogar größer als bei einer Ansiedlung durch Amazon. Die Planung basiert auf einem Dreistufen-Konzept. Erst 50.000 qm für 500 Arbeitsplätze, dann nochmal 50.000 qm für weitere 500 Arbeitsplätze und dann 30.000 qm für nochmal 800 Mitarbeiter (Verwaltung). Nun ist zwar die Mega-Logistikhalle von ½ km mal ¼ km bzw. fast 110.000 qm für Amazon zwar nicht mehr relevant. Dies gilt jedoch nicht für die Planungen der Stadt, die Bauleitpläne für die Ermöglichung einer Mega-Logistikhalle zu ändern. Die jetzt geplanten drei Hallenkomplexe von Netrada sollen in der Endausbaustufe bis zum Jahr 2020 dann 130.000 qm umfassen.



Die Initiative pro.kronsberg setzt sich dafür ein, dass eine große Fläche zwischen dem Kronsberg und Mittelfeld gewerblich und privat so bebaut wird, wie dies ökonomisch und ökologisch zur EXPO konzipiert wurde. Hierzu hat die Initiative vertrauensvolle  Gespräche mit Hannover 96 geführt und  sogar einen Wohn- und Gewerbepark.kronsberg (www.park-kronsberg.de) entwickelt.

 
 

Informationen zum Unternehmen


Die heutige NETRADA wurde im Jahr 1997 unter dem Firmennamen Heycom gegründet und 2007 in den D+S-Konzern integriert. 2009 wurden alle Einzeldienstleistungen des E-Commerce-Segments des D+S-Konzerns unter der neuen Marke NETRADA zusammengefasst. Im Zuge einer strategischen Neuausrichtung der früheren D+S wurde die Muttergesellschaft der NETRADA Europe GmbH, die D+S Europe GmbH, Anfang 2012 in Netrada Holding GmbH umfirmiert. NETRADA ist Europas größter Dienstleister im Fashion E-Commerce und bietet seit 15 Jahren Full-Service E-Commerce-Lösungen in den Bereichen Fashion, Beauty und Lifestyle an. Das Unternehmen betreibt mit mehr als 2.500 Mitarbeitern/innen und Logistikzentren in Europa, Asien und Nordamerika weltweit über 70 Länder-Online-Shops. Die Versandkapazität liegt bei bis zu 140.000 Sendungen pro Tag. In Europa vertreibt NETRADA u. a. folgende Marken: Esprit, Hugo Boss, C&A, Tommy Hilfiger, Puma, Görtz, Lacoste, Triumph, Buffalo, Basler, DIM. In der Region Hannover hat NETRADA Standorte in Garbsen, Langenhagen und Lehrte sowie seit 2011 auch eine Niederlassung mit ca. 200 Arbeitsplätzen in der Wohlenbergstraße in Hannover. Insgesamt hatte NETRADA in der Region Hannover im Jahr 2011 durchschnittlich 1.474 Dauerarbeitsplätze (einschl. nur 106 Zeitarbeitskräfte). Das Unternehmen expandiert und beabsichtigt jetzt mit der Errichtung der neuen Anlage in Hannover den weiteren Ausbau, der auch mit einem Anstieg der Arbeitsplätze verbunden sein wird.

 

Die Stadt sollte sich nach dem Scheitern mit Amazon neu orientieren und endlich mit den betroffenen Anliegern und dem Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz ein einvernehmliches Konzept erarbeiten, das Mensch, Natur und Zukunft genügend berücksichtigt und die Anwohner nicht schon wieder vor vollendete Tatsachen stellt.
Text: Jens Fleischhacker

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