Samstag, 22. Juni 2013

Wenn ein Widerspruch richtig ins Geld geht: Die Verwaltung der Stadt Hannover schwingt die Gebührenkeule

Eine ethisch-moralische Betrachtung, wie Verwaltungsverhalten einer aktiven Bürgerinformation und – beteiligung zuwiderlaufen

Verbraucherinformationsgesetz, Informationsfreiheitsgesetz - der Staat gibt vor, auf aktive und informierte Bürger zu setzen. Jedem Bürger stünde das Grundrecht auf Information zu sowie kritisch nachzufragen. Doch Nachfragen können ziemlich teuer werden. Ein Beispiel gab es nun in der Landeshauptstadt Hannover zu der Ansiedlung einer Logistikhalle östlich der Weltausstellungsallee nahe der Messe.

Was war geschehen?

In den vergangenen Monaten hatten neben der Initiative pro.kronsberg auch einzelne Bürger die Änderung der Bauleitpläne kritisch analysiert. Mit Beginn der Arbeiten auf dem Gelände (Bewegungen von Erdmassen/Errichtung der Grundfläche) haben sieben Bürgerinnen und Bürger dagegen Widersprüche erhoben. Die Widersprüche hat die Stadtverwaltung mit den Argumenten abgewiesen, mit denen sie das Bauvorhaben zuvor durchgesetzt hatte. Dafür hat die Stadtverwaltung nun Gebühren von bis zu € 702,00 pro Widerspruch verlangt, in Gänze für alle sieben Widersprüche fast € 3.500,00. Einschüchterung.

Stadt stellt Antwort auf 
Kritik in Rechnung

Rein vorsorglich wies die Verwaltung darauf hin, dass ein Widerspruchsverfahren kostenpflichtig sei. Die Kosten richten sich nach dem Bearbeitungsaufwand und der Betroffenheit der Widerspruchsführer. Bei Ablehnung eines Widerspruchs kann die Stadt eine Gebühr in Höhe von € 30,00 bis € 3.000,00 ansetzen. Auch wenn die Stadt sich bei der Festlegung der konkreten Gebühr an gewisse Vorgaben zu halten hat, liegt die Höhe der Gebühr in ihrem Ermessen. Ist ein Einfamilienhaus betroffen, werden in Niedersachsen etwa € 360,00 im gerichtlichen Verfahren angesetzt. Abschläge bei den vorgelagerten Widerspruchsverfahren sind ebenfalls die Regel. Nicht nachzuvollziehen ist also, warum sieben Bürger, die identische Widersprüche erhoben und damit denselben initialen Aufwand verursacht haben und nicht in Einfamilienhäusern wohnen, mit bis fast doppelt so hohen Kostensätzen als dem gerichtlichen Regelfall zur Kasse gebeten werden sollen. Das mutet an wie Wucher. Die Höhe der Gebühr scheint willkürlich.

Arithmetik des "Gebührenterror"

Obwohl die Bürger mit ihren Widersprüchen auch auf Gefahren aufmerksam gemacht haben, die selbst in den Gutachten der Stadt nicht ausgeschlossen worden sind, werden sie damit nicht nur nicht ernst genommen, sondern stattdessen durch hohe Gebühren „bestraft“. Worum geht es bei dem Kostenstreit also wirklich? Wird die Gebühr in Hannover dazu missbraucht, unliebsame mündige Bürger zum Schweigen zu bringen? Ist dies das „ordnungs-politische“ Kalkül hinter den hohen Gebühren? Aus unserer Sicht wird hier in einer rechtlich zumindest fragwürdigen Weise vor allem ein – mehr als unlauteres – politisches Ziel verfolgt: Kritische Bürger gezielt "mundtot" zu machen und ihnen zu signalisieren, dass ihre Widersprüche nicht nur mit mehr oder weniger fundierten Begründungen „weggewischt“ werden können, sondern sie obendrein richtig teuer zu stehen kommen. Nach dem Motto „Das habt ihr nun davon, wer nicht hören will, muss fühlen!“ Die Stadt geht mit ihren erwachsenen Bürgern um wie Eltern mit ihren ungezogenen Kindern. Die Stadtverwaltung scheint der Ansicht zu sein, von uns – den Bürgern und Wählern – einen "Erziehungsauftrag" erhalten zu haben. Aus unserer Sicht ist das ein dringend zu hinterfragendes Verständnis von Demokratie. Mundtote Bürger Diese praktizierte Gebühren-Arithmetik einer SPD-nahen Verwaltung hat zur Folge, dass konstruktiver Widerspruch und Kritik ein Privileg vermögender Bürger wird. Mit Demokratie oder gar Bürgernähe hat das nichts zu tun. Es ist ein Hohn, dass Bürger, die bereits mit ihren Steuern und Gebühren u. a. auch die Stadtverwaltung Hannover finanzieren, bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte als betroffene Bürger eines zweifelhaften Bauvorhabens erneut zur Kasse gebeten werden. Das ist mit Verlaub - auch wenn es formaljuristisch gerade noch korrekt sein mag - hochgradig unanständig.