Donnerstag, 18. Oktober 2012

Giftmüllproblem verharmlost?

Presseinformation 18. Oktober 2012

Giftmüllproblem verharmlost?


Nach Auffassung der Stadtverwaltung Hannover sei die Deponie Bemerode I „lediglich“ 236.000 m³ groß (1), nur etwa 1-7 Promille (2) der Deponie lägen im Grundwasser und daher sei eine nachteilige Beeinflussung der Grundwasserqualität in der nördlich gelegenen Siedlung Seelhorst infolge der vorgesehenen gewerblichen Entwicklung aufgrund der Grundwasser-fließrichtung nach gutachterlicher Beurteilung definitiv ausgeschlossen (3).
Die Mehrheitsfraktion der SPD im Rat fragt sich, ob der von hiesiger Seite benutzte Begriff „Giftmülldeponie“ gerechtfertigt sei.“ (4)

Die damit verbundene Anfrage Nr. 2147/2012 ist aktuell Gegenstand der heutigen Ratssitzung.

Es verwundert, dass die wichtigen Fragen in der Anfrage der SPD, die unbedingt vor der Beschlussfassung vom 20. September 2012 hätten geklärt werden müssen, erst jetzt gestellt werden.

Unabhängig von den – vorhersehbaren – Antworten, die die Stadtverwaltung geben wird, hat sich pro.kronsberg mit den vorgenannten Ausführungen beschäftigt.

Um eventuellen Verharmlosungen auch im weiteren Verfahren sachlich zu begegnen, informiert pro.kronsberg weiterhin über die ihm bekannte Faktenlage

1. Größe

In der Zusammenfassenden Darstellung zur Deponie Bemerode (pro.kronsberg: gemeint ist die Altablagerung Bemerode I) vom 11. September 2012 wird nahegelegt, dass die in früheren Untersuchungen zugrunde gelegte Größe der Deponie von ca. 1 Million Kubikmeter lediglich auf Schätzungen beruhe und unzutreffend sei. Zutreffend sei lediglich eine Größe von 236.000 m³.

Es trifft nicht zu, dass die früher angenommene Größe der Deponie nur auf Schätzungen beruhte.

Denn die fachkundige städtische Mitarbeiterin Frau Pöppelbaum, seinerzeit tätig im Amt für Umweltschutz, derzeit im Fachbereich Umwelt und Stadtgrün, hat am 12. August 1993 in der Bürgerinformationsveranstaltung des Bezirksrates Döhren-Wülfel ausgeführt, dass die Deponie im August 1990 untersucht worden und ab 1991 erste Nachermittlungen durchgeführt worden seien. Im Sommer/Herbst 1991 habe das Niedersächsische Landesamt für Wasser und Abfall (NLWA) weitere Untersuchungen durchgeführt. Gezielte Nachermittlungen seien im November 1992 vom Büro GEONOVA durchgeführt worden.

Es ist daher davon auszugehen, dass die auf den damaligen Untersuchungen basierende Größenangabe der Deponie von 1 Millionen Kubikmetern zutreffend ist.

Ebenfalls dafür spricht, dass die seinerzeit ermittelte Größe von 1 Mill. Kubikmetern die Grundlage für die lediglich oberflächliche Teilsanierung, anstelle einer Vollsanierung, darstellte.

Zudem geht selbst das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) aktuell weiterhin von einer Größe von 1 Millionen Kubikmetern aus (5). 




















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2. Inhalt

Die Stadtverwaltung hat aktuell in der Zusammenfassenden Darstellung zur Deponie Bemerode vom 11. September 2012 mitgeteilt, dass sie Hinweisen auf mögliche Einlagerung industrieller Abfälle der ehemaligen Firmen Kertess und Riedel-de-Haen nachgegangen sei. Diese Hinweise hätten sich nicht bestätigen lassen.

Diese Ausführungen der Stadtverwaltung widersprechen Ausführungen, die Frau Pöppelbaum am 12. August 1993 in der bereits erwähnten Bürgerinformationsveranstaltung für die Stadt Hannover vorgenommen hat. Frau Pöppelbaum führte aus, dass in der Deponie „im wesentlichen (…) Hausmüll, Bauschutt, Bodenaushub, Gewerbeabfälle, Färbersalze und Altöl, aber auch chemische Abfälle der Firmen Kertess und Riedel de Haȅn“ lagern. (6)

Strafverfahren in den 70-er Jahren sowie noch lebende Zeitzeugen belegen, dass in die Deponie  sehr wohl auch Industrieabfälle der Firmen Kertess und Riedel-de-Haen entsorgt worden sind.

3. Gefährlichkeit

In der Zusammenfassenden Darstellung zur Deponie Bemerode vom 11. September 2012 behauptet die Stadtverwaltung auf Seite 7, dass „eine nachteilige Beeinflussung in der nördlich gelegenen Siedlung Seelhorst (…) aufgrund der Grundwasserfließrichtung West-Nord-West definitiv ausgeschlossen werden“ kann.

Demgegenüber haben die von der Stadtverwaltung beauftragten Gutachter in der öffentlichen Vorstellung ihrer Gutachten am 16. Januar 2012 betont, dass die Grundwasserfließrichtung nicht eindeutig ermittelt werden konnte.

Diese Aussagen decken sich mit den seinerzeitigen Ausführungen von Frau Pöppelbaum in der bereits erwähnten Bürgerinformationsveranstaltung vom 12. August 1993: „Die Fließrichtung des Grundwassers sei noch nicht zweifelsfrei bestimmt.“

Unabhängig von der Antwort darauf, ob die Schadstoffe in die Siedlung Seelhorst verziehen oder nicht, begründet sich die Gefährlichkeit der Deponie dadurch, dass bei den umfangreichen Untersuchungen in den 90-er Jahren im Grundwasser „Benzol, Tuluol und Xylol und chlorierte Kohlenwasserstoffe in deutlichen Mengen“ (Seite 5) festgestellt werden konnten.

Es kann doch keine Rolle spielen, ob das Grundwasser oder der Boden im Bereich Siedlung Seelhorst oder die Gebiete der Messe und Mittelfeld-West der Gefahr einer Kontamination ausgesetzt werden.

Auch wenn die Deponie ursprünglich als Hausmülldeponie vorgesehen worden war, ist sie – nach allgemeinem Sprachgebrauch – , zumindest durch illegale Abladung von giftigen Stoffen, faktisch zur Giftmülldeponie geworden.


Fundstellen:

(1) Zusammenfassende Darstellung zur Deponie Bemerode (pro.kronsberg: gemeint ist die Altablagerung Bemerode I) der Stadtverwaltung vom 11. September 2012 – Seite 1
(2) Wie Ziffer (1) Seite 1; Anfrage der SPD-Fraktion Nr. 2147/2012 vom 18. September 2012 – Seite 1
(3) Anfrage der SPD-Fraktion Nr. 2147/2012 vom 18. September 2012 – Seite 1, 2
(4) Wie Ziffer (3) Seite 2
(5) Geozentrum Hannover, Nibis Kartenserver: http://nibis.lbeg.de/cardomap3/#
(6) Niederschrift der Stadt Hannover vom 12. September 1993 vom Mitarbeiter Kleinert der Siedlergemeinschaft Seelhorst e. V. übersandt



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